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persönlicher Kommentar

Gedanken unseres Direktkandidaten zum maroden Schulsystem und seinem Reformbedarf

Rund 1/3 aller Grundschüler haben am Ende der 4. Klasse die Regelziele in Lesen, Schreiben, Rechnen und Hörverstehen nicht erreicht. Damit haben wir bereits 1/3 unserer Zukunft nach nur 4 Jahren Schule abgehängt. Wer das als bestes Schulsystem Deutschlands auch noch feiert sollte in den Keller gehen und sich schämen.

Vor etwa einer Woche ist das neue Schuljahr gestartet. Für die meisten Erstklässler ein lang ersehnter Termin. Spätestens zu den Herbstferien wird sich diese Begeisterung bei vielen in Frust und Ernüchterung verwandelt haben. Nicht nur bei den Kindern, auch bei den Eltern, bei Lehrern... nur unsere Regierung feiert sich nach wie vor für das ach so tolle Schulsystem in Bayern.

Ich könnte mich jetzt stundenlang über unser Schulsystem aufregen, aber die Frage ist ja vor allem, was können wir ändern?

Zu viele Kinder in Bayern lernen zu wenig und das Falsche.

Nur 58% der 4. Klasse erreichen den Regelstandard Rechtschreibung, 66% den in Mathematik, 68% beim Lesen. Bereits in der 4. Klasse sind damit rund 30% aller Schüler in Bayern abgehängt. Wer da wie die CSU und die FW feiert, dass er im Bundesvergleich der Beste ist, sollte lieber in den Keller gehen und sich schämen.

Unser Schulsystem widerspricht vollkommen der aktuellen Hirnforschung und die Lehrpläne stammen aus uralten Zeiten. Damit unser Hirn langfristig etwas lernen kann, bedarf es mindestens eines der 3 folgenden Dinge:

  • Das zu Lernende macht Spaß, ist lustig, blöd
  • Das zu Lernende ist emotional bedeutend, betrifft den Schüler in seinem direkten Umfeld
  • Das zu Lernende hat bereits eine Verknüpfung, es ist direkt anwendbar, erlebbar. (neuronales Netz)

Die übliche Vermittlung von Schulstoff in unserem System führt jedoch weitestgehend zu Bulemielernen (reinpauken, Prüfung, rauskotzen). Dies liegt an den Inhalten unseres Lehrplans sowie an der Art der Wissensvermittlung. Hinzu kommt eine hohe emotional-psychische Belastung unserer Kinder, hohe Leistungserwartungen vieler Eltern, wenig Zeit zum Üben und Lernen außerhalb der Schule und natürlich die massiven negativen Einflüsse der Coronapolitik auf unsere Kinder und Jugendliche. Das ganze wird umrahmt von massivem Lehrermangel, steigenden Schülerzahlen und angeblich leeren Kassen, wobei 20 Milliarden militärische Unterstützung für andere Länder kein Problem darstellt.

Aus den Erfahrungen der Coronazeit wäre meine erste Forderung zur kurzfristigen Behebung vieler Missstände: Schulpflicht in Bildungspflicht umändern analog dem System in Österreich. Kurzfristig werden wir unser Schulsystem nicht auf links drehen können, mit diesem Ansatz wären aber Eltern in der Lage sich in Selbsthilfe- und Interessensgruppen zusammenzuschließen und Kinder, die im aktuellen System untergehen im privaten Umfeld zu unterrichten. Der Wissensstand würde entsprechend durch halbjährliche Prüfungen nachgewiesen.

Welche weiteren Ansätze sehe ich zur Reform unseres Schulsystems?

Zunächst einmal muss die Schule den Schüler und seine individuellen Bedürfnisse, Begabungen aber auch Herausforderungen in den Mittelpunkt stellen und nicht das System, in welches die Kinder dann gepresst werden, ob es nun passt oder nicht. Die Erfahrung zeigt, überall wo eine zweite pädagogische Kraft im Klassenverband vorhanden sind, ist eine individuelle Behandlung der Bedürfnisse und Begabungen der Schüller hervorragend zu handhaben. Hiezu benötigt man keine fertig ausgebildeten Lehrer. Indem das Lehramtsstudium von einem total verkopften und theoretischen Studium in ein duales Studium mit 50% Praxisanteil umgewandelt wird stehen sofort eine Vielzahl an Zweitkräften zur Verfügung. 

Aktuell gibt es eine Anweisung des Kultusministeriums, in der Grundschule Klassen erst ab 31 Kindern zu teilen um dem massiven Lehrermangel entgegenzuwirken. Das ist unverantwortlich und führt zu vielen Problemen in der Zukunft. Eine maximale Klassenstärke von 25 Kindern sollte in keiner Schulform überschritten werden dürfen. Hierfür benötigen wir deutlich mehr Personal in unseren Bildungseinrichtungen. Der Beruf des Lehrers muss wieder attraktiv werden. Hierzu brauchen wir keinen Beamtenstatus, sondern motivierte Lehrer und Quereinsteiger, die Freude daran haben, mit Kindern und Jugendlichen die Welt zu entdecken. In den letzten 10 Jahren haben wir gesehen, dass Geld kein Thema ist, ob Bankenrettung, Besorgung von Impfstoffen in galaktischem Ausmass sowie dessen Vernichtung, Finanzierung von Waffen... wir haben Milliarden. 100 Mrd. Sondervermögen für die Bundeswehr - das sind 6 Milliarden Bildungssondervermögen für jedes Bundesland. Damit ließe sich eine Menge bewirken und es wären direkte Investments in unsere Zukunft, keine konsumtiven Milliarden für Anschaffungen. Kurzzeitverträge waren und sind eine Unverschämtheit gegenüber der Lehrkräfte. Wer im Juli arbeitslos wird und im September wieder eingestellt wird, damit 6 Wochen Gehälter gespart werden ist nicht motiviert, in diesem System zu lehren. Die Bezahlung muss sich an der Leistung der Lehrer und dem Einsatz für seine Schüler orientieren, nicht an den Jahren im Schuldienst. Dafür muss diese Bezahlung deutlich besser werden, Zusatzaufgaben wie die Integration von Flüchtlingen in einen Klassenverband auch honoriert werden. Auf grund der gestiegenen Komplexität unserer Lebensrealität durch multilaterale Krisen ist mindestens ein Sozialpädagoge pro Schule essenziell um in Krisensituation schnell und unbürokratisch intervenieren zu können.

Der Verwaltungsaufwand für Lehrer steigt von Jahr zu Jahr zu Lasten der Zeit für die Schüler. Dabei haben viele Lehrer nicht mal einen eigenen Arbeitsplatz in der Schule. Lehrer sind von Verwaltungsaufgaben im größtmöglicher Weise zu befreien um den Fokus auf die Lehre und die Schüler setzen zu können. Der Unterricht ist weit von unserem täglichen Leben entfernt, viele Schulabgänger sind nur bedingt in der Lage, das tägliche Leben zu meistern. Unser Unterricht muß viel Praxisorientierter und projekthafter gestaltet werden. Hierzu wäre es zum beispiel wünschenswert, Anlassbezigen zu lernen. Wirtschaft und Industrie fehlt der Nachwuchs. Kein Wunder, weil kaum Berührungspunkte zwischen Schule und Arbeitsmarkt bestehen. Warum unterrichtet nicht einen Monat lang ein KfZ-Meister die Klasse rund um ein Projekt Mobilität. Anhand dessen lässt sich Mathematik, Physik, Design, Ökologie und vieles mehr erfahren und lernen. Da zu lernende ist für die Schüler emotional bedeutend, macht Spaß und wird vom Gehirn aufgesogen. Im nächsten Monat unterrichtet ein Notfallsanitäter mit EInblicken in seinen Beruf, die Schüler lernen Biologie, Aufbau des Menschen, erste Hilfe, u.s.w. Das alles muß auch nicht im Klassenzimmer stattfinden. Ich denke dass 2h durchschnittlicher Unterricht im Klassenzimmer vollkommen ausreichend sind. Danach ist Lernen in der Praxis angesagt. Dabei muß ein Schwerpunkt darauf liegen, unsere Kinder in der Grundschule dazu zu befähigen, eigenständig zu Lernen und sich Wissen selbst anzueignen, in Gruppenarbeiten, durch Neugier, Forscherdrang und Recherche. Der Lehrer übernimmt dabei vor allem eine koordinierende, beratende und lenkende Funktuion ein.

Die Bewertung von Kindern durch Noten ist ein System, welches ich noch nie verstanden habe, es wird keinem einzigen Kind gerecht. Die Überprüfung von Wissen in einer Momentaufnahme gibt keine Aussage über die Leistungsfähigkeit und den Wissensstand eines Schülers. Beobachtende Bewertungen wie wir sie heute bereits von Förderschulen oder alternativpädagogischen Schulen kennen geben den Schüler in seiner Ganzheitlichkeit deutlich besser wieder. Unser föderales Schulsystem macht einen Wechsel zwischen den Bundesländern für Schüler und Eltern zu masiven Herausforderungen. Auch für Unternehmen und Universitäten sind die unterschiedlichen Schulsysteme eine große und hemmende Herausforderung. Wir benötigen daher ein bundesweit einheitliches Niveau von Schulabschlüssen.

Gerade für die Hinrentwicklung sind künstlerische, musische und praktische Fächer essenziell, in unserem Lehrplan fallen diese jedoch weitestgehend hinten runter. Diese Fächer müssen unbedingt aufgewertet werden. Gerade im Hinblick auf eine immer inhomogenere Zusammensetzung der Schüler ist eine bedarfsgerechte und umfassende Sprachförderung für Kinder unerlässlich. Ohne gute Kenntnisse der deutschen Sprache ist eine erfolgreiche Schullaufbahn und eine daran anschließende berufliche Karriere kaum möglich. Integration fördern heisst Sprachbarrieren abbauen. Aktuell erleben wir, wie am Morgen mehrere Schüler ohne deutsche Sprachkenntnisse vor Schulen abgestellt werden. Die Schüler sind Flüchtlinge, die genötigt werden die Schulpflicht zu erfüllen. Die Klassenverbände, Lehrer und Schulen werden damit vor unlösbare Aufgaben gestellt. Im besten Fall sitzen die Kinder ruhig ohne zu stören in überfüllten Klassen und gehen nach einem Schultag ohne wirkliche Erkenntnisse wieder in ihre Unterkunft. Hierfür bedarf es einer konzentrierten Sprachförderung der Flüchtlingskinder VOR Zuführung an eine Schule. Hierfür wäre eine zentrale Unterbringung der dezentralen deutlich im Vorteil. 

Gerade im ländlichen Raum müssen Schulen unbedingt wohnortnah erhalten oder sogar neu geschaffen werden. Hierbei ist eine vielfältige Schullandschaft wünschenswert, um allen individuellen Bedürfnissen der Kinder gerecht zu werden. Alternativpädagogische Schulen müssen hierbei die selbe finanzielle Ausstattung erhalten wie staatliche Schulen und auch der breiten Masse an Schülern zur Verfügung stehen. Alle Bildungseinrichtungen müssen sofern noch nicht geschehen modernisiert und in unsere Zeit geholt werden. Kaputte Schultoiletten, nur Kaltwasser auf den Toiletten, Klassenzimmer mit Overheadprojektoren und Kreidetafeln entsprechen nicht dem heutigen Anspruch an eine Schulumgebung.

Die in Bayern oft gefeierte dreigliedrigkeit des Schulsystems und die Entscheidung in sehr jungen Jahren, welchen schulischen Weg ein Schüler einschlägt, führt zu einem sehr elitären Bilungssystem. Wer aus gebildetem Hause kommt kann sich dem System anpassen und kommt trotz seiner Unzulänglichkeiten zu guten Abschlüssen, ja, erwirbt auch viele Kompetenzen. Das betrifft aber weniger als die Hälfte aller Schüler. Das gemeinsame Schulerlebnis bis zur 9. Klasse würde auch schwächere Schüler motivieren und voranbringen. Die Wahlmöglichkeit einer zweiten Fremdsprache oder zusätzlicher Spazialisierungen wäre dabei für begabte Schüler möglich, auch individuelle Förderungen. Höhere Schulabschlüsse können dann im Anschluß an eine gemeinsame Schulzeit erworben werden.

An sich gibt es in der Theorie nichts einfacheres als einen Lehrerbedarf zu planen, eine leichte Überplanung für Eventualitäten wie z.B. aktuell die Flüchtlingskrise würde durch eine höhere Betreuungsquote den Schülern zu Gute kommen. Schülern und Eltern muss eine freie Schulwahl zustehen. Damit entsteht auch Wettbewerb um die besten Konzepte und deren Umsetzung.

Lieber Leser, was ich Ihnen hier gerade zusammengestellt habe ist noch kein ausgearbeitetes Konzept, es sind Gedanken zu unserem Schulsystem und wie wir dieses für unsere Kinder, unsere Zukunft, besser gestalten können. Sie können vielleicht mit einigen Punkten mitgehen, zu anderen haben Sie Fragen, wieder andere Ideen lehnen Sie ab oder können Sie nicht nachvollziehen. Gehen Sie in den Diskurs mit mir, stellen Sie mir Fragen, kritisieren Sie die Ideen. Die Reform unseres Bildungssystems ist mir ein inneres Anliegen und eines der wichtigsten Themen im Falle meiner Wahl in den Landtag.

Sie erreichen mich unter manuel.tessun@oedp.de.

Autor/in:
Manuel Tessun
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